Immer wieder erlebst Du Missverständnisse in Deiner neurodiversen Partnerschaft: Dein Partner behauptet, Du hättest Dinge gesagt, die Du mit Sicherheit so nie formuliert (oder zumindest nicht gemeint) hast! Wie kann es sein, dass er nicht versteht, was Du ihm sagen willst? Ihr fühlt euch beide unverstanden, seid verwirrt und gekränkt.
In diesem Artikel erfährst Du, was es mit dem wörtlichen Sprachverständnis bei Autismus auf sich hat und welche fünf Ideen Dir helfen können, damit einen besseren Umgang in Deiner neurodiversen Partnerschaft zu finden.
#1: Dein Partner versteht wörtlich, was Du sagst
Der folgende Dialog könnte so oder so ähnlich ablaufen:
- Neurotypische Partnerin (NT): „Warum sprechen wir denn eigentlich nie darüber, wann wir ein Kind bekommen wollen?“
- Autistischer Partner (AS): „Aber Du hast doch gesagt, dass Du gar kein Kind haben möchtest!“
- NT: „Was? Das habe ich nie gesagt! Ich wollte schon immer Kinder haben!“
- AS: „Als wir vor fünf Monaten auf der Geburtstagsfeier Deines vierjährigen Neffen waren, hast Du danach aus tiefster Überzeugung gesagt: ‚Bitte erinnere mich daran, dass wir nie Kinder bekommen!‘ “
- NT: „Aber das habe ich ja nicht so gemeint!“
- AS: „Wieso hast Du es denn dann gesagt?“
Was ist hier passiert?
Der autistische Partner hatte die neurotypische Partnerin buchstäblich beim Wort genommen, weil er davon ausgegangen ist, dass sie meint, was sie sagt.
Autistische Menschen verstehen das, was ausgesprochen wird, wortwörtlich. Sie erkennen nicht unbedingt, was eigentlich gemeint war.
In der (neurotypischen) Kommunikation ist das, was tatsächlich gesagt wird, in der Regel gar nicht so wichtig.
Nur 7 % der Kommunikation finden verbal statt, die restlichen 93 % nonverbal.
Entscheidender als die reinen Worte ist also:
- Wie wird etwas gesagt? In welcher Lautstärke? In welchem Tonfall?
- Mit welchem Gesichtsausdruck, mit welcher Körpersprache wird es unterstrichen?
- In welchem Gesamtzusammenhang wird es gesagt?
- Welche Information zu diesem Thema könnte der andere schon haben und welche noch nicht?
Autistische Menschen haben genau damit Probleme:
- den Gesichtsausdruck, die Gesten und die Körperhaltung anderer Menschen zu deuten,
- den Tonfall und die Betonung bestimmter Wörter wahrzunehmen und zu verstehen,
- Blicke und körperliche Berührungen zu deuten,
- den Kontext, in dem etwas gesagt wird, einzubeziehen,
- sich in die andere Person hineinzudenken und zu überlegen, was diese über einen bestimmten Sachverhalt schon wissen könnte und was nicht.
Das bedeutet gleichzeitig, autistische Menschen verstehen Ironie, Sarkasmus, Witze, Anspielungen, Redewendungen und Metaphern nicht automatisch.
Die Bedeutung hinter den Worten wird nicht intuitiv interpretiert und verstanden. Vor allem dann nicht, wenn Autisten reizüberflutet, aufgeregt, erschöpft oder gestresst sind oder unter Zeitdruck stehen.
Die Botschaft mit all ihren verschiedenen nonverbalen Aspekten muss bewusst analysiert werden und das benötigt Aufmerksamkeit, Energie, Zeit und Gehirnkapazität.
Diesen bewussten Analyseprozess beschreibt ein autistischer Partner als ‚NT-Simulator‘ (Pike & Attwood, 2019, S. 57) (also ‚Neurotypischen-Simulator‘): Den könne er einschalten, dann gebe er die neurotypische Botschaft hinein und nach einiger Zeit habe er die Information dann entschlüsselt.
Dein Partner kann sich also bewusst bemühen, aus den nonverbalen Signalen Informationen ‚herauszulesen‘; letztere werden jedoch zum einen mengenmäßig weniger und zum anderen ungenauer sein, als das bei neurotypischen Menschen der Fall ist. Gleichzeitig nutzt Dein Partner selbst sehr viel weniger nonverbale Kommunikation, um sich auszudrücken.
Fallen diese Aspekte weg, reduziert die Kommunikation sich vor allem auf die Übermittlung von Informationen, also von Sachinhalten.
Autistische Menschen konzentrieren sich sowohl beim Absenden als auch beim Empfangen und Entschlüsseln einer Botschaft in aller Regel auf den Sachinhalt (Wilczek, 2018).
Sagst Du zum Beispiel: „Mir ist kalt.“, dann versteht Dein Partner (erst einmal) genau das: „Dir ist kalt.“
Der autistische Autor Pete Wharmby beschreibt detailliert, welche Gedanken nach genau diesem Satz bei ihm in der Regel aufkommen (Wharmby, 2022, S. 16-17):
Er berichtet, dass ihm die Ausgangssituation durchaus bewusst sei: das Fenster sei offen, draußen liege Schnee und die andere Person trage nur ein T-Shirt.
Er sagt, er käme jedoch gar nicht auf die Idee, dass „Mir ist kalt“ mehr als die schlichte Beschreibung einer Tatsache sein könne. Er würde also keinerlei Schlussfolgerung aus diesem Satz ziehen. Vielmehr würde er davon ausgehen, dass die Person doch sicher einfach fragen würde, wenn sie wirklich wollen würde, dass er etwas tue.
Und selbst wenn er den Satz als Appell verstehen würde, wäre er sich dann nicht sicher, ob er das wirklich richtig verstanden hätte. Es hätte ja auch etwas anderes gemeint sein können.
Aus diesem Gedankengang lässt sich Folgendes ableiten:
Wenn Du mit dem, was Du zu Deinem Partner sagst, nicht nur reine Sachinformation vermitteln möchtest, sondern auch etwas über Dich selbst oder eure Beziehung ausdrücken oder indirekt an ihn appellieren möchtest, muss Dein Partner seine Logik zu Hilfe nehmen, um zu erschließen und zu mutmaßen, was Du wohl meinen könntest.
Und auch dann bleibt bei ihm eine Restunsicherheit, ob er wirklich die passenden Schlüsse gezogen und richtig vermutet hat.

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#2: Dein Partner meint wörtlich, was er sagt
„Alles, was Du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles, was wahr ist, solltest Du auch sagen.“
(Voltaire)
Wie bereits beschrieben, nutzen Autisten Kommunikation vor allem, um Sachinhalte zu übermitteln – das gilt für das Empfangen genauso wie für das Senden von Botschaften.
Da die anderen Aspekte der Kommunikation wegfallen, bekommt der Sachinhalt logischerweise eine sehr viel größere Bedeutung.
Für Deinen Partner ist es deshalb sehr wichtig, dass alles, was er sagt, wahr, logisch und möglichst vollständig ist.
Wenn Dein Partner mit Dir spricht, meint er also genau das, was er sagt. Nicht mehr und nicht weniger.
Das liest sich so einfach, aber was bedeutet das ganz konkret für euren Beziehungsalltag?
Hier einmal ein sehr typisches Beispiel:
Dein Partner sagt: „Du bist zu dick.“
Möglicherweise ‚hörst‘ Du automatisch:
„Du bist unattraktiv.“ oder „Du bist wertlos.“ oder auch: „Ich liebe Dich nicht.“
Aber das meint er nicht! Er meint einfach nur das, was er sagt, nämlich:
„Du bist zu dick.“ (im Sinne von: Wenn wir Deinen BMI errechnen würden, wäre er im Bereich des Übergewichts.) Mehr nicht.
Noch ein häufig berichtetes Beispiel:
Dein Partner sagt: „Ich brauche Dich nicht.“
Du ‚hörst‘ vielleicht automatisch:
„Ich verbringe nicht gerne Zeit mit Dir.“ oder „Ich liebe Dich nicht.“
Aber das meint er nicht! Er meint einfach nur das, was er sagt, nämlich:
„Ich brauche Dich nicht (zum Überleben).“ Mehr nicht.
Wenn Du den Gedanken hast, Dein Partner findet Dich unattraktiv oder wertlos, verbringt nicht gerne Zeit mit Dir oder liebt Dich nicht, ist das natürlich sehr verletzend und kränkend!
Es ist deshalb sehr wichtig, sich klarzumachen, dass autistische Aussagen oft ohne weiter darüber nachzudenken auf neurotypische Art und Weise interpretiert werden.
Es kann also sein, dass Du eine Bedeutung in die Worte Deines autistischen Partners ‚hineininterpretierst‘, die er überhaupt nicht vermitteln wollte!
Deshalb mach Dir immer wieder bewusst, dass Dein Partner wirklich wortwörtlich meint, was er sagt. Das kann sehr entlastend für Dich sein!

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#3: Was bedeutet das wörtliche Sprachverständnis für Deine neurodiverse Partnerschaft?
Vielen autistischen Partnern ist nicht bewusst, wie wenig sie von der nonverbalen Kommunikation ihrer neurotypischen Partnerin wahrnehmen und verstehen.
Wenn nicht bekannt ist, dass Autismus in der Partnerschaft eine Rolle spielt, geht die neurotypische Partnerin zudem automatisch davon aus, dass das, was sie auf neurotypische Art kommuniziert, vom Partner auch automatisch so verstanden wird.
Das ist aber nicht so! Und keiner von beiden weiß es.
Neurotypische Menschen nehmen darüber hinaus häufig an, dass man sich in einer Partnerschaft irgendwann in- und auswendig kennt und deshalb vieles nicht mehr explizit sagen muss. Diese Annahme verstärkt sich natürlich im Laufe der Jahre einer Partnerschaft.
Das wörtliche Sprachverständnis Deines Partners kann zu vielen Missverständnissen, Konflikten und unangenehmen Gefühlen bei beiden Partnern führen.
Machst Du z. B. einen Vorschlag, wie Dein Partner etwas anders bzw. besser machen könnte, fasst er das als Kritik auf, weil er nur Deine Worte hört.
Er versteht nicht, dass Du ihm eigentlich helfen willst. Und er nimmt den liebevollen Blick in Deinen Augen nicht wahr, während Du Deinen Vorschlag unterbreitest.
Er fühlt sich kritisiert und gekränkt.
Ein weiteres Beispiel:
Du erzählst Deinem Partner, dass Deine Mutter sich gemeldet und berichtet hat, wie schlecht es ihr geht und dass sie eure Unterstützung braucht.
Du fragst Deinen Partner: „Magst Du mitkommen zu meiner Mutter?“
Er sagt Nein.
Und vielleicht bewertest Du diese Aussage automatisch so: Meine Familie ist ihm nicht wichtig! Wie kann man denn so egoistisch sein?!
Du interpretierst seine Antwort als Zeichen von Gleichgültigkeit und fehlender Fürsorglichkeit.
Du ärgerst Dich und machst Deinem Partner Vorwürfe.
Dein Partner wiederum ist verwirrt über Dein Verhalten!
Du hast doch gefragt, ob er mitkommen ‚möchte‘, und er hat Nein gesagt, weil er keine Lust hat. Das heißt aber nicht, dass er nicht mitkommen würde, wenn er verstanden hätte, wie wichtig das für Dich ist.
In solchen ganz alltäglichen Situationen können falsche und negative Annahmen darüber entstehen, was gesagt wurde:
„Aber Du hast doch gesagt …!“
„Aber das habe ich anders gemeint!“
Nachdem Du nun einige Informationen zum wörtlichen Sprachverständnis erhalten hast, stellst Du Dir vielleicht die Frage:
Was kannst Du denn selbst tun, um mit dem wörtlichen Sprachverständnis Deines Partners so umzugehen, dass es euch beiden damit besser geht?
Wie kannst Du Deinen Partner dabei unterstützen, genau zu verstehen, was Du eigentlich sagen möchtest, und so auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass er Deine Wünsche und Bedürfnisse erfüllt?
Und andererseits: Wie kannst Du auch selbst genau verstehen, was Dein Partner eigentlich mitteilen möchte, damit Du die Möglichkeit hast, auf seine Bedürfnisse einzugehen? Ein weiterer Nebeneffekt könnte sein, dass Du seltener gekränkt bist, denn Dein Partner hat nicht die Absicht, Dich zu kränken.

Du vermutest, dass Dein Partner Autist sein könnte? Du weißt aber nicht, ob und wie Du es ansprechen sollst?
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#4: Fünf Ideen, wie Du mit dem wörtlichen Sprachverständnis Deines Partners umgehen kannst
Idee #1: Versetz Dich in Deinen Partner hinein!
Stell Dir vor, Du befindest Dich in einem fremden Land, und die Sprache der Bewohner verstehst Du nur sehr bruchstückhaft.
Etwa jedes fünfte Wort kennst Du, aber die restlichen sagen Dir leider gar nichts.
Vermutlich wäre es unter diesen Umständen sehr hilfreich für Dich, wenn Du Dich voll auf Deinen Gesprächspartner konzentrieren könntest, es keine Ablenkung von außen gäbe, Du entspannt, ausgeschlafen und fit wärst: Und auch dann würde es in Deinem Kopf rattern:
- Du versuchst, Dich an Wörter dieser Sprache zu erinnern, die Du schon einmal gehört hast;
- Du vergleichst Wörter, die Du nicht kennst, mit Wörtern aus anderen Sprachen und versuchst, die Bedeutung abzuleiten;
- Du reimst Dir Bedeutungen zusammen;
- Du versuchst, aus dem Kontext abzuleiten;
- Du vermutest, Du rätselst, Du rätst.
Dieses ganze Analysieren, Vergleichen und Raten kostet Dich unfassbar viel Kraft und Energie! Außerdem hast Du viel mehr Zeit gebraucht, um zu antworten, als in Deiner Muttersprache.
Und am Ende hast Du vielleicht ungefähr verstanden, was das Thema war. Aber von den Details hast Du wirklich keine Ahnung und ein grundlegendes Gefühl der Unsicherheit bleibt.
Der autistische Blog-Autor Greg Burns (2022, eig. Übers.) beschreibt Autistisch-Sein genau so:
„Du befindest Dich in einem fremden Land. Du lernst immer noch die Sprache
und musst alles übersetzen, was Du hörst und sagst.[…]
Egal wie sehr Du es versuchst, Du kannst nicht immer vorhersagen,
wann Du eine subtile Nuance falsch verstehen wirst.“
Idee #2: Denk dran: Dein Partner will, aber er kann nicht!
Mach Dir immer wieder bewusst, dass Dein Partner nicht die Fähigkeit besitzt, die Bedeutung hinter Deinen Worten intuitiv zu verstehen!
Dass er wörtlich versteht, was Du sagst, ist keine böse Absicht!
Er macht das nicht, um Dich zu ärgern oder einen Konflikt zu erzeugen, sondern weil er Deine Mimik, Deine Körpersprache und Deinen Tonfall nicht automatisch interpretieren und nicht immer erkennen kann, in welchem Kontext Du etwas sagst.
Ein anderer Vergleich wäre Folgender:
Hast Du schon einmal mit einem blinden Menschen gesprochen? Vielleicht hast Du festgestellt, dass Du Dich anfangs verhalten hast wie immer, bis Dir aufgefallen ist, dass diese Person nicht sieht, wenn Du als Antwort auf eine Frage stumm mit dem Kopf nickst.
Irgendwann im Laufe des Gesprächs bist Du wahrscheinlich dazu übergegangen, Dich zu entschuldigen, dass Du schon wieder nicht geantwortet und stattdessen nur mit dem Kopf genickt hast. Und dann hast Du verbal begleitet, was das Nicken bedeutet (nämlich: „Ja.“).
Hast Du von dieser blinden Person automatisch erwartet, dass sie Dein Nicken wahrnimmt?
Warst Du wütend oder gekränkt, weil sie nicht auf Dein Kopfnicken reagiert hat? Bestimmt nicht.
Idee #3: Komm Deinen eigenen Interpretationen auf die Spur!
Genauso wie Dein Partner Deine neurotypischen Aussagen mit seinem autistischen Gehirn verarbeitet, verarbeitest Du seine autistischen Aussagen mit Deinem neurotypischen Gehirn. Das ist einfach so. Und an sich weder gut noch schlecht, sondern eine schlichte Tatsache.
Wenn Dein Partner also wirklich verstehen will, was Du ihm sagen möchtest, muss er Deine Aussage bewusst analysieren.
Wenn Du wirklich verstehen willst, was Dein Partner Dir sagen möchte, musst Du aufhören, seine Worte zu analysieren.
Die Coachin und Trainerin Eva Daniels spricht hier von „Transfergedanken ausschalten“ (Daniels, 2015, S. 100).
Was bedeutet das?
Es bedeutet, die Aussagen Deines Partners nicht zu interpretieren, also nichts hineinzuinterpretieren, sondern zu lernen, die Denk- und Kommunikationsweise Deines Partners zu verstehen.
Gute Hinweise auf nicht hilfreiche Interpretationen einer bestimmten Aussage oder Situation sind immer unangenehme Gefühle.
Bist Du also verletzt, gekränkt, traurig, ärgerlich oder verwirrt? Dann nimm Dir doch einen Moment Zeit und überlege:
Was hat Dein Partner gerade tatsächlich gesagt?
Wie hast Du das, was er gesagt hat, interpretiert oder bewertet?
Welches Gefühl hat diese Bewertung bei Dir ausgelöst?
Und dann machst Du Dir wieder bewusst, was er tatsächlich formuliert und ausgesprochen hat.
Idee #4: Beobachte Deine eigene Art zu kommunizieren!
Du hast eigentlich schon den Eindruck, dass Du Dich klar ausdrücken kannst? Und in der Regel wirst Du auch von allen anderen (neurotypischen) Menschen in Deinem Umfeld verstanden?
Dann habe ich hier eine kleine Aufgabe für Dich:
Nimm Dir Stift und Papier und beobachte Dich während eines fest definierten Zeitraumes an einem ganz normalen Tag einmal selbst. Dabei musst Du gar nicht im Kontakt mit Deinem Partner sein, Du kannst auch mit einer anderen Person zusammen sein. Du kannst Dich eine Stunde lang beobachten oder den ganzen Tag. Wie Du magst.
Du kannst eine einfache Strichliste machen:
In dieser Zeit machst Du einen Strich für
- jede Metapher, jeden Witz, jede Anspielung, jeden ironischen oder sarkastischen Kommentar, den Du machst,
- jedes Mal, wenn Du etwas andeutest, implizierst, anklingen lässt, durch die Blume sagst,
- oder wenn Du jemanden liebevoll neckst, mit jemandem flirtest oder ihm etwas unterstellst.
Wie viele Striche hast Du gemacht?
Idee 5: Äußere Deine Wünsche und Bedürfnisse klar und deutlich!
In der neurotypischen Kommunikation sind wir es gewohnt, unsere Wünsche und Bedürfnisse indirekt auszudrücken. Wenn wir möchten, dass der andere etwas für uns tut, deuten wir das subtil an und gehen davon aus, dass er es trotzdem versteht.
Das hat einen guten Grund: Wir möchten mit aller Macht vermeiden, dass der andere uns als dominant erlebt oder sich bevormundet fühlt. Das funktioniert aber mit autistischen Menschen nicht (Wilczek, 2018).
Dein Partner spürt nämlich dann, dass Du irgendetwas von ihm möchtest, aber er wird keine Ahnung haben, was genau eigentlich. Das ist für euch beide sehr unangenehm.
Wenn Du Deinem autistischen Partner Deinen Wunsch vage und indirekt mitteilst, kann er den eigentlichen Kern Deines Anliegens nicht erkennen und somit Deinen Wunsch auch nicht erfüllen.
Dein Partner will aber in der Regel auf Dich und Deine Bedürfnisse eingehen, wenn er die Chance dazu bekommt.
Deshalb:
Sei klar und eindeutig! Stelle keine Fragen, sondern äußere Deinen Wunsch! Hab keine Angst, zu direkt zu sein!
Sag nicht: „Magst Du mitkommen zu meiner Mutter?“,
sondern lieber: „Bitte begleite mich heute zu meiner Mutter. Das ist wichtig für mich.“
Autistische Partner berichten, dass sie diese klare und eindeutige Art der Kommunikation als sehr erleichternd erleben. Endlich müssen sie nicht mehr ewig Rätsel raten (und liegen dann trotzdem manchmal falsch).
Wenn Du lernst, so zu kommunizieren, dass Dein Partner Dich versteht, bekommst Du mehr von dem, was Du brauchst.
Außerdem kann die Notwendigkeit, eigene Bedürfnisse und Wünsche klar und deutlich zu formulieren, auch eine Chance für Dich selbst sein.
Denn um nach außen hin so klar zu sein, musst Du Dir erst einmal innerlich klar darüber sein, was Dir wirklich wichtig ist. Und das zu wissen, ist immer hilfreich.
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Fazit: Das Wichtigste für Dich kurz zusammengefasst
#1: Dein Partner versteht wörtlich, was Du sagst:
Autistische Menschen nehmen das, was gesagt wird, wortwörtlich. Sie verstehen nicht unbedingt das, was eigentlich gemeint war. Ironie, Sarkasmus, Witze, Anspielungen, Redewendungen und Metaphern werden nicht automatisch verstanden. Das liegt u. a. daran, dass autistische Menschen Schwierigkeiten haben, nonverbale Kommunikation zu deuten, den Kontext, in dem etwas gesagt wird, zu berücksichtigen oder sich in die andere Person hineinzudenken.
#2: Dein Partner meint wörtlich, was er sagt:
Autisten nutzen Kommunikation vor allem, um Informationen mitzuteilen. Für Deinen Partner ist es deshalb sehr wichtig, dass alles, was er sagt, wahr, logisch und möglichst vollständig ist. Wenn Dein Partner mit Dir spricht, meint er also genau das, was er sagt. Nicht mehr und nicht weniger. Es kann für Dich sehr entlastend sein, Dir darüber bewusst zu werden, dass Du möglicherweise eine Bedeutung in die Worte Deines autistischen Partners ‚hineininterpretierst‘, die er überhaupt nicht vermitteln wollte.
#3: Was bedeutet das wörtliche Sprachverständnis für eure neurodiverse Partnerschaft?
Wenn nicht bekannt ist, dass Autismus in Deiner Partnerschaft eine Rolle spielt, gehst Du in der Regel automatisch davon aus, dass das, was Du auf neurotypische Art kommunizierst, von Deinem Partner automatisch verstanden wird. Wenn Dein Partner Autist ist, entspricht das aber nicht der Realität. So kann das wörtliche Sprachverständnis Deines Partners zu vielen Missverständnissen, Konflikten und unangenehmen Gefühlen bei euch beiden führen.
#4: Fünf Ideen, wie Du mit dem wörtlichen Sprachverständnis Deines Partners umgehen kannst:
- Idee 1: Versetz Dich in Deinen Partner hinein!
- Idee 2: Denk dran: Dein Partner will, aber er kann nicht!
- Idee 3: Komm Deinen eigenen Interpretationen auf die Spur!
- Idee 4: Beobachte Deine eigene Art zu kommunizieren!
- Idee 5: Äußere Deine Wünsche und Bedürfnisse klar und deutlich!
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Ich freue mich darauf, von Dir zu hören.
Quellennachweis
Burns, G. (2022): What it’s like to be autistic. In: Embrace Autism (Weblog), 05. Oktober 2022.
Online-Publikation: https://embrace-autism.com/what-its-like-to-be-autistic/
Abrufdatum: 02.11.2023
Original-Zitat:
“You are in a foreign country. You’re still learning the language,
and need to translate everything you hear and say. […]
No matter how hard you try, you’re not always able to predict
when you will get some subtle nuance wrong.”
Daniels, E. (2015). Geliebter Fremder: Wie Frauen ihren Asperger-Mann lieben und verstehen. TRIAS Verlag.
Pike, J., & Attwood, T. (2019). Neurodiverse Relationships. Autistic and Neurotypical Partners Share Their Experiences. Jessica Kingsley Publishers.
Wharmby, P. (2022). Untypical: How the world isn’t built for autistic people and what we should all do about it. HarperCollinsPublishers.
Wilczek, B. (2018). Wer ist hier eigentlich autistisch? Ein Perspektivwechsel. Mad Man`s Magic.